Dieb!
In einer Sonderausstellung des Limburgs Museum in Venlo werden von Mai bis November 2006 archäologische Spitzenfunde aus den Niederlanden, Belgien und dem deutschen Grenzgebiet zum Thema Kelten gezeigt. Die Veranstalter weisen darauf hin, dass dies die erste und wohl auch letzte Ausstellung dieses Umfanges zum Thema in den Niederlanden sein wird.

Mehr als 500 Objekte werden gezeigt. Manche – die erst in jüngster Zeit bei Ausgrabungen gefunden wurden – zum ersten Mal, wie zum Beispiel der Münzschatz aus Echt oder Stücke aus dem Frauengrab von Koningsbosch.

Nachdem wir uns von einer ähnlich vollmundigen Anpreisung („einmalige Funde zum ersten Mal in einer Ausstellung zusammengetragen“) in die „Roots“-Ausstellung des Rheinischen Landesmuseums Bonn hatten locken lassen und enttäuscht bis entsetzt waren, wie man ein Museumskonzept verfolgen kann, bei dem die einmaligsten und interessantesten Funde derart präsentiert werden, dass nicht nur Kinder, sondern auch der motivierteste Erwachsene quengelig wird, waren wir gespannt, wie selbiges in den Niederlanden umgesetzt wird.

Beim Eintritt bekommt der Besucher eine kostenlose Broschüre (in seiner Landessprache), in der nicht nur die Ausstellungsstücke beschrieben werden, sondern auch kurze Informationen über die einzelnen Themengebiete wie Religion, Waffen, internationale Kontakte, usw. gegeben werden. Zudem enthält das Heftchen eine Landkarte, in der die einzelnen Fundorte eingetragen sind. Man muß also nicht nach Tafeln Ausschau halten (auf die ein anderer Besucher eventuell gerade die Sicht versprerrt), jeder kann soviel nachschlagen wie sein Interesse verlangt, und man hat die Möglichkeit, auch nach der Ausstellung zu Hause noch einmal nachzusehen, sollte man den Namen seines Lieblingsobjektes (auf den Photos) vergessen haben.

Die Ausstellung wird mit einem viertelstündigen Film eingeleitet (ebenfalls mehrsprachig), in dem Leo Verhart, einer der an der Ausstellung maßgeblich beteiligten Archäologen, das Thema einleitet: So erklärt er zum Beispiel, warum die Beschäftigung mit den Kelten nach den Weltkriegen lange Zeit Tabu war, und warum sie heute wieder populär ist, wie die Situation der Funde in den Niederlanden war, und wie das Landschaftsbild zu der besonderen Fundsituation beigetragen hat. Verhart geht dann auf einzelne Stücke der Ausstellung ein, beschreibt z.B. die Eisengewinnung aus Raseneisenerz, die Verarbeitung des Metalls zu einem Schwert, und warum dieses letztendlich verbogen wurde und in eben diesem Zustand nebenan in der Vitrine zu sehen ist. Während der Erklärung beteiligt er sich mit einer Living-History-Gruppe am Sammeln des Erzes und dem Schmelz- und Schmiedevorgang. Er erklärt den damaligen Kulturtransfer anhand eines modernen Beispiels, und wie es kommt, dass keltische Funde in einem Gebiet gemacht werden konnten, das eigentlich hauptsächlich von germanischen Stämmen besiedelt war. Zu guter Letzt weist Verhart darauf hin, dass nicht alles keltisch ist, was heute als keltisch bezeichnet wird.

Und genau daran knüpft der Eingangsbereich der Ausstellung an: Bücher über „keltische“ Astrologie, Mystik und Symbolik werden gezeigt, Schmuck, Met und Mandala-Malblöcke. An einem „Musik-Megaliten“ kann man sich Ausschnitte vermeintlich "keltischer“ Musik vorspielen lassen, angefangen von den Klängen einer Carnyx, über typisches Irish Folk und Enyas Synthesizer-Pop bis hin zu „keltischem“ Heavy Metall. Wer will, kann sich mit verschiedenen bereitliegenden Stempeln ein keltisches Muster „tätowieren“, während einem von den Stellwänden schottische Celtic-Fußballfans, „Bravehart“-Statisten und neuheidnische Druiden in weißen Gewändern zusehen.

Weiter geht's in der Ausstellung zu den einzelnen Fundstücken, vorbei an einer Konstruktion, die an eine Säule in einem Brunnen erinnert. In dieser Säule sieht man plastische Hologramme der einzelnen Teilansichten des Silberkessels von Gundestrup und bekommt Informationen zu den mythologischen Hintergründen der Szenen.

Neben den Schaukästen stehen in regelmäßigen Abständen interaktive Terminals: Die Bildschirme zeigen ausgewählte Fundstücke als Schatzhort unter Wasser. Klickt man sie an, tauchen sie unter Geplätscher aus dem Wasser auf und werden mit interessanten Hintergrundinformationen wie z.B. Nutzung, Fundsituation und mythologischen Hintergründen vorgestellt. Es gibt sogar kurze Videos von den Ausgrabungen.

Wer möchte, kann sich aus einer Truhe mit Fellen, Helmen, karierten Umhängen und anderen Requisiten das passende heraussuchen, um sich zusammen mit dem „Fürsten von Oss“ von einer Webcam photographieren lassen, und sich in der elustren Gesellschaft später im Internet bewundern. Wem das zu albern ist, der kann sich aus einer anderen Kiste mit Schafswolle und Handspindeln bedienen, um zu versuchen es damit der Bäuerin gleichzutun, die auf der anderen Seite der Halle spinnend neben ihrem Mann sitzt, der sich gerade eine Schaufel genommen hat, um aufs Feld zu gehen.

Eine weitere geniale interaktive Idee besteht darin, dass man die Replike dreier verschiedener Schädel vor sich hat: Um seinen archäologisch-kriminalistischen Spürsinn zu beweisen, muß man vier Fragen zu jedem Schädel beantworten, z.B. ob es sich um den Schädel eines Kindes oder eines Erwachsenen handelt (nachdem man erklärt bekommen hat, dass bei letzterem die Fontanellen zusammengewachsen sind), und muß die Todesursache vermuten, so z.B. ob der Betroffene durch einen Hieb mit einer Klinge oder einem stumpfen Gegenstand ums Leben kam, was dazu führt, dass man sich den Schädel sehr genau ansehen muß, um nach Spuren dieser Todesarten Ausschau zu halten. Zum Schluß soll man Vermutungen darüber anstellen, ob dieser Tod im Krieg stattfand, oder ob der Tote geopfert wurde und bekommt eine Erklärung zu der gegebenen richtigen oder falschen Antwort: Unterhaltung zwar, aber sehr lehrreiche.

Den Bronzespiegel aus Nimwegen fanden Schatzsucher 1928 in einem Grab zusammen mit einer gläsernen Urne, Scherben, Holz und Knochenasche. Die Glasurne ließ sich auf etwa 100 bis 150 nach Christus datieren. Der bronzene Spiegel weist eine typische geometrische Verzierung auf, sein Griff ist mit roter Emaille eingelegt. Der Spiegel wurde in England hergestellt, auf dem Festland hat man bisher nur einen einzigen gefunden, nämlich den von Nimwegen!

Im Jahre 1933 fand man in der Nähe von Oss den größten Grabhügel der Niederlande. Es wurde ein bronzener Eimer ausgegraben, der menschliche Aschereste enthielt und ein gekrümmtes Schwert mit goldenen Einlegearbeiten. Außerdem enthielt der Eimer noch Mundstücke eines Zaumzeuges, Waffen und verschiedene Werkzeuge. Es muß sich also um das Grab eines bedeutenden Mannes gehandelt haben.

Während des Braunkohleaabaus bei Hambach wurde in der Nähe Niederziers von Archäologen ein befestigtes Dorf ausgegraben. Zu ihrem Erstaunen entdeckten sie einen Goldschatz: ein irdener Topf, in dem ein Armband lag, zwei Halsringe und 46 Münzen. Die Ringe sind teilweise doppellagig. Die Münzen datieren aus den Jahren 75 und 70 vor Christus. Man fand den Topf in einer Mulde, an einer Stelle, wo vermutlich ein großer Kultpfahl gestanden hatte.

Um 1840 fand ein anonymer Torfstecher im limburgischen Moorgebiet „De Peel“ bei Helden eine vergoldete Silberscheibe. Auf der Scheibe ist ein Mann abgebildet, der mit einem Löwen kämpft. Drumherum sieht man einen Widder, zwei Löwen, zwei Hunde und den Kopf eines Rindes. Es handelt sich um einen Schmuckgegenstand, der vermutlich in Thrakien, einem Landstrich im heutigen Bulgarien/ Rumänien, angefertigt wurde. Die Scheibe war ursprünglich Teil eines Schildes. Wie und als was ihr keltischer Besitzer es nutzte, ist nicht klar, vielleicht als Teil seiner Kleidung, um seinen Rang zu verdeutlichen. Ihren Weg ins Moor fand die Scheibe vermutlich als Opfer.

Eine der ausgestellten Tonstatuetten ist diese in Baarlo gefundene Abbildung einer weiblichen, reitenden Gottheit aus der Zeit von ca. 100 v. Chr – 100 n Chr, die Epona geweiht ist. Weitere interaktive Möglichkeiten bietet ein Terminal, an dem man sein Wissen zeigen (bzw. sich belehren lassen) kann, was die Zuordnung von keltischen Worten, die sich in modernen Sprachen wiederfinden lassen, betrifft. Ebenfalls zu diesem Thema erklärte ein niederländischer Museumsführer anhand der Inschrift des Weihesteins eines 'negotiarius salarius', eines Salzhändlers, dass „salarius“ (lat. adj. salz-) deswegen mit Gehalt (dt. Salär: Beamtenlohn, eng. Salary, franz. salaire) zusammenhängt, da früher römische Soldaten und Beamte auf Reisen mit Salz entlohnt wurden, was erst in späterer Zeit in Münzen ausbezahlt wurde.

Interessant war auch eine Tafel, auf der Pfostenlöcher markiert waren, die Spuren also, die Archäologen meist als einzigen Hinweis zur Rekonstruktion einer Ansiedlung haben. Zu den Pfostenlöchern gab es Gebäudemodelle, die man den passenden Pfostenlöchern zuordnen konnte, um so den Schritt der Rekonstruktion nachzuvollziehen. Am Ende der Ausstellung, wird noch einmal auf die Rezeption der Kelten eingegangen, die diese in den letzten Jahrhunderten erfahren haben.

Kurz wird auf Fehl-Interpretationen und Nachahmungen mancher keltischer Stücke aus dem 19. Jh. - Rekonstruktionen und Kopien von Statuen, Weihesteinen und Schwertern - eingegangen, zudem Bilder des niederländischen Malers Barend Wijnveld gezeigt, auf denen ein schnauzbärtiger Bataverfürst in der Manier des berühmten Vercingetorix-Denkmals in Frankreich von seinen Gefolgsleuten auf einen Schild gehoben wird, und der typische weißgewandete, rausche-bärtige Druide zu der Menge spricht. Wer dann noch wollte, konnte vor dem Gehen ein Stück Stoff mit einem Wunsch an die Götter beschriften und an die Zweige eines "Opferbaumes" knüpfen. (Natürlich erst, nachdem man vorher seinen persönlichen Baum anhand des "keltischen" Baumhoroskops bestimmt hatte). Wer dann immer noch nicht genug hatte von (vermeintlich) Keltischem, konnte im Museumsrestaurant eine wohl "urkeltische" Lauchcremesuppe mit Huhn und Pflaumen essen, oder im Museumsshop eine ebenfalls urkeltische Elfenstatue aus Polystone kaufen.

Alles in allem: Eine interessant und abwechslungsreich präsentierte Ausstellung mit vielen "Gimmicks" und wunderschönen Fundstücken! Sie stellt zwar den Anspruch an den Besucher, wirklich auch mal genauer zu gucken und zu lesen, um nicht nachher zu sagen: "Ich war letztens im Museum, da haben die was über das keltische Baumhoroskop gehabt, deswegen muß das ja wirklich keltisch sein, und keine Erfindung der Neuzeit!!!" Aber so viel Interesse am Eintauchen in die Materie wird jemand, der immerhin die Zeit erübrigt, einen Nachmittag einem Museumsbesuch zu widmen, sicherlich mitbringen.

Ein Ausstellungskonzept, von dem sich so einige deutsche Museen eine große Scheibe abschneiden sollten! Homepage zur Ausstellung: http://www.dekelten.nl/settaal.asp?taal=de





Text: Daniela M.; Photos: Daniela M., H. Kaiser