Die Lange Nacht der Kelten

Am 22.10.2005 fand im Rahmen der Langen Museumsnacht im Rheinischen Landesmuseum in Bonn die "Lange Nacht der Kelten" statt. Dieses Bündel von Veranstaltungen sollte den Besuchern die Lebensweise der "echten" Kelten nahebringen, so wie sie nach dem aktuellen Stand der Forschung erschlossen werden kann. Im folgenden gebe ich einen Bericht über meine Erlebnisse dort, und ich will hinzufügen: einen sehr subjektiven.
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Allgemein konnte man wieder die Unübersichtlichkeit des Rheinischen Landesmuseums bemerken. Im Programm standen zwar die Anfangszeiten der Programmpunkte und wo sie stattfinden, aber ich war bei weitem nicht der einzige, der recht orientierungslos in den Hallen und verschachtelten Etagen des Museums herum irrte. Hier weiss man ja noch nicht mal, ob man sich im ersten oder zweiten Obergeschoss befindet, und einmal habe ich einen der Wächter auch einfach genau danach gefragt. An den Stellen selbst fehlte jeder Hinweis darauf, dass da gleich oder überhaupt etwas stattfindet, was zum Anfang der Programmpunkte zu einem ständigen Kommen und Gehen führte, weil Leute dachten, sie seien falsch und woanders gucken gingen, und dann wieder zurückgehetzt kamen, als sich herausstellte, dass die betreffende Stelle doch der Veranstaltungsort war.

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Ich war gerade rechtzeitig zum ersten Vortrag "Troubadix & Co - Die Musik der Kelten" angekommen, aber als ich schliesslich den "Lichthof" als Veranstaltungsort gefunden hatte, standen da nur ein Laptop und ein Beamer, die mit vereinten Kräften den Titel der Veranstaltung an die Wand projezierten. Mein erster enttäuschter Gedanke war: "Och, das sind nur Diavorträge.", woraufhin ich noch kurz in die anderen Räume gucken ging, ob sich da nicht etwas täte. Da fand ich zufällig den Weber, der eine Borte herstellte. Aber hallo, dieses Brettchen-Weben ist echt kompliziert! Wenn jemand etwas fragte, musste der Handwerker aufhören zu weben, weil er sich voll auf die Tätigkeit konzentrieren musste, und nicht gleichzeitig erklären konnte. Da ich in Sachen Musik nur einen Diavortrag erwartete, ging ich noch in die Etage darüber, wo eine Bauersfrau vom Alltag erzählen sollte, stand dort aber vor einer dichtgedrängten Wand von Rücken, jenseits derer ich leise die Frau murmeln hörte. Ein Hornstoss lenkte meine Aufmerksamkeit wieder in den "Lichthof", wo drei Frauen in antiker Tracht und ebensolche zwei Männer alte Instrumente zurecht legten. (Später erfuhr ich, dass das Hornsignal nicht für die Besucher, sondern die Mitwirkenden gedacht war. Die beiden Männer agierten nämlich wegen des Ausfalls des keltischen Kriegers auch bei der Waffen-Vorführung, verzettelten sich aber dort wohl regelmässig mit der Zeit, so dass sie per Hornruf an ihre Rolle als Musikanten erinnert werden mussten ). Ich hetzte wieder hinunter und kam gerade zurecht, um die Begrüssung: "Salvete! 'Musica Romana' sumus." mitzubekommen. Der Vortrag bezog sich dann auch hauptsächlich auf römische und griechische antike Musik, weil es darüber weit mehr Aufzeichnungen gibt, schlug aber auch immer wieder den Bogen zu den Kelten, über deren Instrumente und Musik zwar weit weniger bekannt ist, für die man aber aufgrund von Abbildungen und alten Berichten guten Gewissens Parallelen zu den Römern und Griechen ziehen kann.
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Im Verlauf des Vortrags stellte die Leiterin der Gruppe - jedenfalls denke ich, dass sie das ist, weil sie die gesamte Veranstaltung dominierte - die wichtigsten antiken Instrumente bzw. Instrumentengattungen vor. Sie begann mit der Leier, die ja auch bei Kelten und Germanen bekannt ist, und räumte sofort mit einer falschen Vorstellung über die Spielweise auf. Die Saiten der Leier werden nämlich nicht - wie von Peter Ustinov als Nero in "Quo Vadis", den sie als allbekanntes Beispiel nannte - einzeln gezupft, sondern die Saiten werden mit einem Holzstöckchen rhythmisch angeschlagen, und zwar alle auf einmal, während die andere Hand die Saiten abdämpft, die nicht klingen sollen. Das erklärt natürlich den Ausdruck "die Leier schlagen". Die Leier ist daher kein Melodie-Instrument, sondern eine Kombination aus Rhythmus- und Akkord-Begleitung. Melodien wurden hauptsächlich auf Flöten (sie hatten welche aus Schwanen-Flügel-Knochen und eine aus dem Oberschenkel eines Hundes dabei, alle nach dem Vorbild archäologischer Funde gebaut) und Rohrblattinstrumenten gespielt. Eine Frau aus der Gruppe führte virtuos diese Instrumente vor, die paarweise gespielt werden, in jeder Hand eines. Sehr wichtig war noch allerlei Schlagwerk, insbesondere Zimbeln, die in der modernen, wohlklingen "Pling"-Form und der historischen scheppernden "Pläärrr"-Variante zu hören waren. Daneben gab es noch Trommeln, aber diese waren - wie eigentlich alle antiken Instrumente - recht leise, weil es sich um einfache Rahmen-Trommeln ohne Resonanzkörper handelte. Die uns heute bekannten lauten Marsch-Trommeln und Pauken kamen erst im Laufe des Mittelalters auf. Die Kelten scheinen auch nur sehr spärlich Trommeln benutzt zu haben, im Gegensatz zu Römern und Griechen, wie aus der Fundlage und den Abbildungen zu schliessen ist. Die irische Bhodran dürfte also eine relativ moderne Erscheinung sein. Ausserdem hatte die Tänzerin noch Kastagnetten.

Weiter ging es mit Panflöten, die in Mitteleuropa nicht wie im Mittelmeerraum aus gebündelten Schilfrohren bestanden, sondern aus dicken Holzbrettchen, in die die Röhren in entsprechender Tiefe gebohrt wurden. Sonderbarerweise hat die Archäologie diese "antiken Frühstücksbrettchen" lange nicht als das erkannt, was sie sind, und die Vortragende erzählte von skurillen Interpretationen als "Wasserverteiler" oder "Sortierkästchen für Nähnadeln". Das hat sie wohl so gewurmt, wie sie erwähnte, dass sie die "Brettchen"-Panflöten zum Thema ihrer Magister-Arbeit gemacht hat. Diese Panflöten sind im Gegensatz zu den anderen Instrumenten sehr laut, und sie führte weiter aus, dass sie nicht in erster Linie als Musik-Instrumente gebraucht wurden - die machen ja von der Lautstärke her alles andere platt - sondern der Verständigung der Hirten untereinander dienten. Vermutlich hatte jeder Hirte einen individuellen Ruf, und konnte so zum Beispiel den Hirten anderer Herden mitteilen, dass er gerade an der Wasserstelle seine Schafe tränkte, so dass die anderen Herden warten konnten, damit es nicht zum heillosen Durcheinander kam.

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Ganz zum Schluss stellte sie die Harfe vor, und enttäuschte sofort alle anwesenden Gothik- und Plastik-Kelten, indem sie nämlich mitteilte, dass die sogenannte keltische Harfe erst seit zweihundert Jahren existiert, und die Harfe in antiker Zeit hauptsächlich bei den Römern und Griechen im Einsatz war, wogegen es für die Kelten nur ganz wenige Hinweise auf den Gebrauch dieses Instrumentes gibt. Die Vortragende teilte allerdings mit, dass gerade erst in der Schweiz eine Harfe aus vorchristlicher Zeit gefunden worden sei, deren Klangkörper aus dem Schädel eines Hirsches besteht, die sich aber ansonsten nicht von den griechischen und römischen Exemplaren unterscheidet. Das vorgeführte typische Instrument war schlicht dreieckig und hatte einen sehr kleinen Klangkörper. Die antike Harfe war noch leiser als die anderen bisher vorgestellten Instrumente, weswegen alle Besucher ganz still sein mussten, als ein originales römisches Harfenstück - das aber genausogut "irisch" klang - vorgetragen wurde. Bei der Gelegenheit erfuhr ich zu meiner Überraschung, dass die Römer und Griechen bereits eine musikalische Notation kannten, was es ermöglicht, etliche antike Lieder und Instrumentalstücke wie Tänze fast originalgetreu zu reproduzieren.

Der Vortrag wurde immer wieder angereichert durch Musikstücke. Die klangen zwar meiner Meinung nach sehr schön, enttäuschten aber wiederum diejenigen, die "keltische" Musik erwartet hatten. Ausserdem entsprachen die Stücke schon aufgrund der Instrumenten-Technik nicht modernen Hörgewohnheiten, und so spendeten einige Leute Applaus mit einem herablassend grinsenden Gesichtsausdruck, den man kennt, wenn auf einer Familienfeier gerade das achtjährige Söhnchen auf der Blockflöte "Hänschen klein" gequietscht hat. Denen ist es offensichtlich nicht gelungen, die Leistung der antiken Musiker, der modernen Vorträger und die in aller Einfachheit künstlerische Qualität der Musik zu würdigen.

Leider wählten alle Akkus für meine Kamera diesen Abend, um eine Ruhepause einzulegen. Besonders ärgert mich das bei dem griechischen Lied, das den Vortrag abschloss. Der Bezug zu den Kelten bestand darin, dass selbige eine griechische Stadt platt gemacht hatten, und die Bewohner, nachdem sie ihre Stadt wieder hergerichtet hatten, den Kampf gegen die Kelten und die Tatsache, dass sie sich nicht haben vertreiben und unterkriegen lassen, stolz in dem Lied besangen. Das Lied wurde ursprünglich von einem Männerchor - in recht hoher Tonlage - gesungen, was der Vortragenden die Gelegenheit gab, hervorzuheben, dass in allen antiken Kulturen "auch die Männer" gesungen und getanzt hätten - überwiegend Reigentänze - , was im Publikum Erheiterung hervorrief. Hab' ich da etwas nicht mitbekommen? Gilt es als unmännlich, zu singen, musizieren und zu tanzen? Das Lied wurde dann in altgriechischer Sprache von den drei Frauen der Gruppe vorgesungen, wozu sie auch einen geschrittenen griechischen Reigentanz vorführten. Das fand ich toll, und eben diesen Augenblick suchten sich die Akkus meiner Kamera aus, um "exhaustet" zu sein, und ich kam so schnell nicht an die Ersatz-Akkus ran. *Ärger!* Deswegen bin ich noch zum zweiten Mal hingegangen, als dieser Vortrag gehalten wurde, weil ich gerne noch das Lied und den Tanz aufnehmen wollte. Leider waren die diesmal nicht Bestandteil, wobei mir insgesamt dieser zweite Vortag, obwohl mit genau demselben Inhalt und denselben Bildern begleitet, eher hastig und oberflächlich vorkam. Vielleicht war bei den Leuten schon die Luft raus.

Vor Beginn des zweiten Vortrags wollte ich die Musik-Archäologin fragen, was es mit den Rohrblatt-Instrumenten auf sich habe, nach welchem Vorbild die gefertigt seien, und meiner Verwunderung Ausdruck geben, dass die so still sind, während ich an alten Volksinstrumenten eher laut schreiende Schalmeien und sowas kenne. Da sie gerade ihre Leier stimmte, antwortete zunächst - sehr freundlich - die Flötenspielerin, kam aber nicht weit, weil ihre Kollegin ihr in dozierendem Ton das Wort abschnitt - sie liess mich auch im weiteren Verlauf keine einzige Frage zuende stellen, sondern pladderte sofort los - , und mich darüber belehrte, dass die Sache mit den lauten Schalmeien erst seit höchstens ein paar Jahrhunderten so sei, und es sich bei den hier vorgestellten Instrumenten um frühe "Oboen" handele, und dass in allen Fachbüchern dahingehend eine Menge Unsinn stünde. Sie sprach zu mir in einem Ton, als sei ich persönlich für die falschen Informationen verantwortlich, und hätte in rein böswilliger Absicht diese in die Fachliteratur eingeschleust. Meiner Meinung nach stimmt das auch nicht, die alten ursprünglichen Instrumente werden unter "Schalmeien" zusammengefasst, insbesondere da sie zylindrisch, und nicht wie die Oboe konisch gebohrt waren. Natürlich hat die Oboe mit dem Doppelrohrblatt ein antikes Element übernommen, aber das ist bei anderen Instrumenten auch so, kaum eines ist erst in moderner Zeit ganz neu erfunden worden. Gegen die Bezeichnung alter Doppelrohrblatt-Instrumente als "Oboen" spricht meiner Meinung nach schon der Name, der aus dem Französischen stammt, das man kaum als antike Sprache bezeichnen kann. Nunja, was soll's, wer weiss, was für Kämpfe die Musik-Archäologin schon hat ausfechten müssen, und vermutlich bekam ich ihren Frust zu spüren.
In der zweiten Auflage des Vortrags sagte sie auch etwas über Hörner, die an das untere Ende der "Oboen" als Schalltrichter gebaut wurden, und meinte etwas zur Bohrung. Das könnte ein versuchter Seitenhieb gewesen sein - ich stand ja sichtlich im Publikum - , der allerdings nicht traf, da mir der akademische Irrglauben, gegen den sie wohl da zu Felde ziehen wollte, nicht bekannt ist.

Im selben Vortrag sprach sie auch von Mehrstimmigkeit der antiken Musik, und "wer mir das nicht glaubt, kann mir nachher einen Kaffee bezahlen, dann erkläre ich ihm das". Weil mir das neu war und ich auch gerne etwas über die Tonskala wissen wollte, lungerte ich in der Eingangshalle herum, und als die Musik-Archäologin gerade mit ihrer Tänzerin das Museum - in antiker Kleidung - verlassen wollte, warf ich mich ihr zu Füssen und rief "Oh du Allwissende! Siehe, ich bin nur ein unwürdiger Wurm, der vom Gift der Schulwissenschaft zerfressen ist, und der Heilung und Erleuchtung sucht! Sprich nur ein Wort, so wird mein Gehör gesund!". Oder so ähnlich. Davon wohl etwas milder gestimmt hat sie mich dann doch noch mit ein paar Information versehen, wobei das Buch, das sie mir genannt hat, und das angeblich in der Unibibliothek auszuleihen sei, im Online-Katalog dort nicht auffindbar ist. Wenigstens brauchte ich keinen Kaffee auszugeben.

Nach dem ersten Musik-Vortrag bezog ich in der Nähe der Stelle Posten, an der meiner Meinung nach der Vortrag "Im Angesicht des Feindes - Ein voll gerüsteter keltischer Krieger demonstriert Waffen und Kampfpraktiken" stattfinden sollte, wo aber natürlich weder ein Schild stand, noch irgendwer Offizielles zu sehen war. Fünf Minuten nach dem ausgeschriebenen Beginn tauchte ein schlicht gekleideter Mann auf - der Rahmentrommler von "musica romana" - und teilte zu seinem Bedauern mit, dass der keltische Krieger nicht mehr ganz am Stück sei und sie deswegen einen Römer hergerufen hätten, der gerade erst die Schlacht bei X gegen die Barbaren erlebt habe. Ich bin mir nicht im Klaren darüber, ob wirklich der Kelte ausgefallen oder das von Anfang an so geplant war, denn die folgende Darbietung schien sehr gut vorbereitet und durchdacht zu sein und hatte nichts improvisiertes. Der "Römer" rühmte die Kampfkraft der römischen Legion und erzählte Anekdoten aus der Schlacht, und wie sie die Barbaren niedergemacht hatten, erntete jedoch statt des - vielleicht nicht wirklich - erhofften Jubels Buh-Rufe und die Aufforderung "Römer geht nach Hause!". Da im Kreis der Zuhörer die Barbarenschaft zahlreich vertreten war, handelte es sich wohl auch in diesem Fall nicht um ein sehr applausfreudiges Publikum Nachdem der Römer so schon mal einen Überblick über die unterschiedliche Bewaffnung und Kampftaktik gegeben hatte, kam der "Trommler" mit Armen voll Waffen und einem römischen Schild dazu. Der Römer war nur in Tunika und Gürtel mit Gladius bekleidet - er selbst bezeichnete sich als "halbnackt", in voller Rüstung sei er zu sehen, wenn im Museum die entsprechende römische Veranstaltung stattfinde - , der Trommler ebenso, jedoch zusätzlich mit Hose und statt des Gladius natürlich einem Langschwert. Der Römer erzählte etwas zum Gladius, der im Gegensatz zum "Langschwert" - das nicht unbedingt wesentlich länger sein muss als der Gladius - eine Stichwaffe ist. Das Langschwert wird eher zum Schlagen und Schneiden benutzt, während der Galdius, wie der Römer recht "farbig" ausführte - und andeutungsweise an seinem germanischen Kollegen demonstrierte - hauptsächlich dazu dient, dem Gegner in den Bauch gestossen, gedreht und seitlich wieder herausgerissen zu werden. Während der römische Schild praktisch den gesamten Körper bedeckt und sich dazu eignet, eine Schildwand aufzubauen, dient der viel kleinere germanische Schild nicht nur der passiven Deckung, sondern kann auch aktiv als Schlagwaffe benutzt werden, besonders wirksam, wenn der spitze Schildbuckel in der Mitte eingesetzt wird. Der Vortrag verlagerte sich dann auf den Trommler, der sich als germanischer Krieger vorstellte, wobei laut seiner Aussage die Kelten aber sehr ähnlich ausgerüstet waren. Neben dem Langschwert, dessen schlagende und schneidende Anwendung gegen Kopf, Hals, Arme und Beine er an seinem römischen Gegenüber andeutete, hatte er noch ein Bündel anderer Kampfwerkzeuge bei sich. Zunächst stellte er als beim einfachen Kriegsvolk weit verbreitet eine relativ schlichte Holzkeule vor, die trotz ihrer Einfachheit sehr wirksam gegen den Kopf - auch den durch einen Helm geschützten - und besonders gegen Arm- und Beingelenke zum Einsatz kam, die unter der Wucht ihres Schlages einfach zersplittern. Danach kam der Wurfspeer mit recht kleiner, mit Widerhaken versehener Eisen-Spitze dran, und schliesslich der "Framen", den der Germane als Hauptwaffe vorstellte. Das ist eine Art Lanze mit breiter und grosser Spitze, mit der man auch allerlei Unheil anrichten kann, zumal das Blatt scharf geschliffen ist, so dass der Kämpfer damit nicht nur stechen, sondern auch schneiden kann, und auf diese Weise - er demonstrierte das an dem zwar grundsätzlich bereitwilligen, doch offensichtlich sich unbehaglich fühlenden Römer - dem Gegner den Hals auf- oder die Beinsehen durchschneiden kann. An dieser Stelle plauderten Römer und Germane einträchtig über die "Versorgung" von Verwundeten, die im Falle eines Gegners darin bestand, dass man ihn tot schlug, wobei aber die Angehörigen der eigenen Truppen auch nicht viel besser dran waren. Der Römer meinte zwar, im Gegensatz zu den Barbaren hätten die römischen Legionen bereits ein Sanitätswesen gekannt, setzte jedoch widerwillig hinzu: "was der Feind nicht schafft, vollenden die Ärzte". Im Fall des mit Widerhaken versehenen Wurfspiesses und auch bei Pfeilen gestaltet sich die Entfernung recht garstig, und Römer und Germane waren sich einig darin, dass es da schon besser sei, wenn das Geschoss an der anderen Seite wieder herauskäme, denn dann könne man das einfach durch ziehen.

Zum Schluss stellte der Germane noch eine Waffe vor, die aber wohl aus dem slawischen Raum stammt und deren Namen ich vergessen habe. Es handelt sich dabei um eine bestimmt 70 cm lange, gebogene Klinge, die an einem ellenlangen Holzstiel befestigt ist. Das ganze erinnert ein wenig an eine kurzstielige Sense, bei der das Blatt nicht senkrecht vom Schaft weggeknickt, sondern gerade angesetzt ist. Die Demonstration der Einsatzmöglichkeiten dieser Waffe - Hieb, Stich, Schnitt gegen alle möglichen Körperregionen - entrangen dem als Vorführobjekt dienenden Römer immer wieder die Bemerkung: "Ich mag das verdammte Ding nicht!".

Wenn es auch kein Kelte und erst recht kein Schaukampf war - ein solcher war auch eigentlich nach der Ankündigung im Programm nicht zu erwarten gewesen -, war der Vortrag gut gemacht und vermittelte einen guten Eindruck von Bewaffnung und Kampftechnik der Germanen. Auch hier habe ich aber den Eindruck, dass diejenigen enttäuscht wurden, die sich einen "germanischen Krieger" oder sein keltisches Pendant als glorreiche Gestalt mit Schwert und allem drum und dran vorstellen - und vorstellen wollen, um einen solchen im Rollenspiel zu verkörpern - , dabei aber vergessen, dass auch bei Germanen und Kelten die Haupt- und Drecksarbeit im Kampf vom Fussvolk geleistet wurde, die oft nur mit einer Keule - so verhehrend diese auch wirken kann - oder einem Spiess mit Knochenspitze ausgerüstet waren.

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Zwischendurch habe ich mir noch eine "antike Modeschau" angesehen. Informativ zeigte diese wenig mir unbekanntes, war aber vom Vortragenden super gemacht. Der hat locker und lustig über die Entwicklung und die Bestandteile der Bekleidung erzählte, und darüber, woher man denn heute weiss, wie Menschen vor 2000 oder 3000 Jahren gekleidet waren. Er hatte ein "Model" dabei, eine Frau, die die diversen Teile der Tracht anhatte und vorführte, und die sich mithilfe von Fibeln und Bändern in eine Frau aus verschiedenen Epochen verwandelte. Eine besondere Tracht stellte der Vortragende noch vor, deren Form nur von einem einzigen Bildstein bekannt ist, der über dem Grab einer offensichtlich reichen und extravaganten Frau errichtet wurde. Es handelt sich dabei um eine Komposition aus zwei einander verschränkten Tüchern als Oberteil des Kleides, die von zwei reichen Fibeln auf den Schultern gehalten werden. Und wer trug diese Tracht und kam nach vorne, um sich in dieser zu präsentieren? Die beste und wissendste Musik-Archäologin von allen, war ja klar.


Fotos und Text: H. Kaiser