Die Zerstörung von Bodenfunden in Aachen als „gute" alte Tradition

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1. Reste der römischen Therme am Büchel

Wenn man zur Zeit in Aachen am Münster und der Domschatzkammer entlang geht, stößt man auf offene Leitungsschächte in der Straße und hört, dass ein neuer Fund aus der Römerzeit gemacht worden ist.

In einer Stadt wie Aachen, in der seit der Steinzeit eine fast durchgehende Besiedlung bis heute nachgewiesen werden konnte, ist es gerade im historischen Stadtkern nicht leicht, bei Ausschachtungen des Untergrundes nicht auf fränkische, römische oder noch ältere Funde aus der Vergangenheit zu stoßen. Jede Stadt sollte glücklich und stolz über so ein reiches historisches Erbe sein. Sollte man annehmen.

Am 7. Juli 2005 war auf Anregung von Experten zuletzt ein Runder Tisch von Zuständigen der Bodendenkmalpflege in Aachen zusammengekommen, die sich mit dem künftigen Umgang der Eingriffe in den Boden im Stadtkern befassen sollte.

Letztendlich ausschlaggebend dafür war der jüngste Misstand vom 11. Mai 2005. Damals schachteten die Stadtwerke auf dem Katschhof einen Leitungsgraben aus und stießen dabei auf gut erhaltenes Mauerwerk aus karolingischer Zeit, welches einst Teil des Wohngebäude Karls des Großen und seiner Nachfolger hätte sein können. Dass diese Mauerreste sich dort befanden, war bekannt, da sie Anfang des Jahrhundert bereits einmal freigelegt, jedoch nur unzureichend untersucht worden waren. Fundamente dieses bedeutenden Gebäudes waren bereits dem Bau der Domsingschule zum Opfer gefallen, weshalb gerade die verbliebene Bausubstanz im Bereich des Katschhofs genaueren Aufschluss über die bislang ungeklärte Bautechnik, Nutzung und genaue zeitliche Einordnung des Gebäudes hätte geben können. Wichtige Teile des Bauwerks und der daran anschließenden, nicht minder aufschlussreichen Erdschichtbildung wurden jedoch am 11. und 12. Mai zerstört, wobei das gesamte Erdreich der Ausschachtung bereits am ersten Tag ohne vorherige Ausgrabung und sorgfältige Untersuchung auf Fundmaterial hin weggebaggert und auf eine Deponie gebracht wurde. Die vom Denkmalschutzgesetz NRW vorgesehene archäologische Betreuung der Fundstelle beschränkte sich auf eine sogenannte baubegleitende, anderthalbtägige Dokumentation nach erfolgter Ausschachtung.

Dieses Vorgehen war durchaus kein Einzelfall. Wie sich einige vielleicht erinnern, hat im August 2001 der Umbau der Buchhandlung an der Buchkremerstraße für großes Aufsehen gesorgt, da bei den Bauarbeiten die Reste der römischen Büchel-Thermen freigelegt worden waren. (Was auch keinen hätte überraschen müssen, da die Lage der Therme bekannt gewesen war.) Doch auch hier war der Fund wegen der Bauverzögerung und der Kosten, die ein angemessener Umgang mit ihm verursacht hätte, eher ein Ärgernis und kein Grund zur Freude. Nur ein Teilstück des Beckenrandes - 5 % (!) des eigentlichen Fundes - wurde vor den Baggern verschont und auf dem städtischen Bauhof deponiert. Aachens Oberbürgermeister Jürgen Linden war sogar wegen Zerstörung eines Denkmals und Korruption angezeigt worden, da er mit dem Bauherrn diesen "tragfähigen Kompromiss" ausgehandelt hatte.

Auch zu Beginn der 80er Jahre hatte beim Bau des Aquisgrana-Hotels am Büchel die Möglichkeit bestanden, die freigelegten römischen Bäderreste der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wie man leicht vermuten kann, wurde hiervon Abstand genommen.

1962 wurde es bei Bauarbeiten auf dem Gelände des Schwertbades in Burtscheid vom Bauherrn und Architekt unterlassen, das Bodendenkmalamt zu benachrichtigen, als einige Mauern in der Grube freigelegt worden waren. Die herbeieilenden Archäologen konnten gerade noch die zum größten Teil schon ausgehobene Grube in Augenschein nehmen. Bruchstücke von Säulen und die ungewöhnliche Dicke des Mauerwerks ließen darauf schließen, daß die Fundamente wohl einen aufwendigen Bau, ein Quellheiligtum, getragen hatten. Nur vier Meter entfernt lag die Fundstelle des bedeutenden Apolloaltars vom Schwertbad, dessen Standort nur rekonstruiert werden konnte.

Ebenfalls 1962 fand trotz der wieder einmal zu erwartenden Funde beim Bau des "Haus der Kohle" keine geregelte archäologische Bestandsaufnahme statt, da die Bauherren an einer Störung der Arbeiten nicht interessiert waren. Stadtkonservatoren und Archäologen wurden vor den Baggern hergescheucht und konnten bei ihrer Dokumentation mit der Zerstörung nicht Schritt halten. Raupenfahrzeuge räumten die römischen Fundstätten bis auf den gewachsenen Boden ab, ehe die Funde geborgen wurden konnten. Nicht nur römische, sondern auch eisenzeitliche und frühmittelalterliche Zeugnisse wurden so in wenigen Stunden unwiederbringlich zerstört und damit wichtige Erkenntnisse über die Siedlungsgeschichte in Aachen vernichtet.

Den Monolithen, der bei den jüngsten Bauarbeiten gefunden wurde, und den Forscher für ein römisches Urinal halten, will Oberbürgermeister Jürgen Linden übrigens im Elisengarten aufstellen lassen. Wenn auch mit anderer Intention kommentierten die Aachener Nachrichten: "Wie hieß das bei den Römern? Pecunia non olet."

Ein Urinal als Trostpflaster für die bisher zerstörten Funde, die meines Erachtens wesentlich bedeutender und aufschlußeicher gewesen wären? Ich bin begeistert.

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2. Vermutliches römisches Urinal oder Wasserverteiler

Quellen:
- Die Aachener und Burtscheider Thermalquellen. Lebendiges Wasser. Hrsg: Ökologie-Zentrum Aachen, Aachen 2000, S. 88 und 104.
- www.an-online.de/specials/heimat/aachen-mayersche.php.
- http://www.nrw-stiftung.de/presse/ pressestimme.php?subnav=pressespiegel&id=47&j=2001.
- taz Nr. 6547 vom 12.9.2001, Seite 7,25 Zeilen (Agentur).
- http://stadtgeschichte.isl.rwth-aachen.de/ nach dem Stand vom 31. Aug. 2005 17:15:05.
- Aachener Nachrichten online vom 8.7.2005: Schutz für Schätze im Boden.
- Aachener Nachrichten online vom 4.6.2005: Römisches Urinal in Aachen gefunden?.

Bilder:
- www.an-online.de/specials/heimat/aachen-mayersche.php.
- Aachener Nachrichten online vom 4.6.2005.

Daniela M. Bonn, 10. September 2005